Bilder, die fast fröhlich sind

Die Arbeiten von Waldemar Drichel sind durch starke Farbigkeit geprägt.

Thematisch widmen sie sich auf unterschiedliche Weise dem Menschen und seiner Umgebung. Dabei ist der Mensch teils als Einzelperson, teils in Beziehung zu anderen wiedergegeben. Vordergründig scheint es sich um beschauliche Genreszenen zu handeln mit Kontrasten in Thematik und Gestaltung, die gelegentlich an ästhetische Grenzen stoßen. Will man härter formulieren,
ließe sich sagen, daß diese Bilder kitschig wirken.

Diese Wirkung ist beabsichtigt, und die vermeintliche Diffamierung, die sich an den Begriff "Kitsch" bindet, wird völlig aufgehoben durch die Erkenntnis, daß es sich in Wahrheit um eine Persiflage von Kitsch handelt. Zur Genese dieser Bilder Drichels ist es wichtig zu wissen, daß am Beginn die Auseinandersetzung mit romantischen Themen und Darstellungen stand. Es ist leicht nachzuvollziehen, daß eine solche Auseinandersetzung häufig zu der Erkenntnis führt, daß lediglich Banales zu etwas vermeintlich Besonderem überhöht wird. Unter dieser Voraussetzung kann Romantik zu Kitsch werden, kann man in der Beschäftigung mit Romantik ironisch werden.
Hier liegt der Ansatz für das Entstehen dieser Bilder, mit denen Drichel vom Betrachter sehr viel mehr einfordert als je zuvor.

Stilmittel der Gestaltung sind subtil angelegte Kontraste und Spannungen. Bildnerische Kontraste entstehen, indem etwa eine vermeintliche landschaftliche Idylle durch die Darstellung eines geschlachteten Tieres gestört wird. Kontraste einer anderen Dimension entwickelt die Bildfindung an sich. Es sind überwiegend gebrochene Menschen, die - sehr präsent - wiedergegeben werden, einsame und ausgegrenzte, Alte, Obdachlose und Trinker. Gefällig oder witzig ist daran nichts mehr, auch nicht - zum Beispiel - an der Lockente, die ganz offensichtlich ihren Zweck erfüllt,
und ebenso wenig an dem Vogeljungen im Nest, das von zwei Katzen wohlgefällig betrachtet wird.
Das scheinbar Gefällige, Harmlose, Niedliche verflüchtigt sich recht schnell, das Lachen bleibt gewissermaßen im Halse stecken. Über den Bildern liegt eine stille Melancholie.

Darstellungen dieser Art verlangen nach einer Deutung, da es ganz offensichtlich um mehr geht als um harmlose Beschaulichkeit. Waldemar Drichel klagt nicht an, er schärft lediglich die Aufmerksamkeit für eine bestimmte Sicht der Welt. Der Betrachter wird nicht gezwungen,
diese Sicht zu übernehmen. Es steht ihm frei, in oberflächlicher Betrachtung zu verharren.
Er kann darüber hinaus aber auch wahrnehmen, daß der Mensch und die ihn umgebende Welt nicht in dem Maße harmonieren, wie es der erste Anschein glauben machen möchte.

Dr. Eckhard Michael